Es gibt nur wenige Meilen auf dem AT, die so frei über der Baumgrenze dahinführen.
Am späten Nachmittag bietet sich die Galehead Hut (AMC) für eine Pause und Wasserholen an. Eine Übernachtung käme nur mit Vorbuchung und dickem Geldbeutel in Frage. Deshalb mache ich mich zusammen mit zwei anderen Langstreckenwanderern wieder auf den Weg, einem ungewissen Ziel entgegen.
Rustikale Kletterhilfen erleichtern an manchen Stellen das Überwinden von Felsblöcken, wobei die rutschigen Holzstämme oft gefährlicher als der Fels selbst sein können...
Frühmorgens auf der Nauman Campsite wache ich durch leichtes Getröpfel auf der Zeltwand auf. Auch der zunehmende Wind lässt die Hoffnung auf die für heute geplante Überschreitung von Mount Washington bei gutem Wetter gegen Null schwinden.
Aber ein Pausentag kommt so schnell nicht in Frage: Die Proviantuhr tickt.
Mein Vorrat ist für eine Non-Stop-Durchquerung der "Whites" in ca. 5 Tagen bis zur nächsten einigermassen nahen Stadt Gorham kalkuliert.
So kämpfe ich mich bei starkem Wind, kaum Sicht und teils waagerechtem Regen über die Felsplatten auf den berühmtem Gipfel des Mnt. Washington. Von den berühmten "Presidentials" (nach den Presidenten benannte Gipfel) sehe ich leider nichts.
Trotz des schlechten Wetters spuckt die Zahnradbahn Dutzende von Tagestouristen vor dem Restaurantkomplex neben dem Gipfel aus. Aber hat alles sein Gutes. Immerhin kann man dort die sanitären Anlagen benutzen und eine schöne Pause im geschützten Eingangsbereich machen.
Beim Abstieg in Richtung Madison Hut (im Sattel sichtbar) und Mt. Madison (die Spitze dahinter) klart dann doch noch das Wetter auf. Was für eine tolle Szenerie! Im Blick schon die nächsten Stunden des Weges mit dem steilen Anstieg quasi in Falllinie zum Gipfel des Mnt. Madison.
Nach dem Gipfel geht es fast genauso steil den verblockten Felsgrat hinunter zur Osgood Tentsite, auf der ich mein kleines Zelt neben zahlreichen anderen aufstelle. Was für ein toller, erlebnisreicher Tag!
Pinkham Notch bietet neben Restaurant auch eine Ein- bzw. Ausstiegsmöglichkeit über die Passtrasse. Zumindest eine Pause ist hier dringend zu empfehlen, denn kurz danach geht es einen der anstrengendsten Anstiege auf "Wildcat" rauf.
Das kurze Wegstück durch "Mahoosuc Notch" wird als schwierigstes Wegstück des ATs gehandelt. Kann ich nicht ganz zustimmen.
Ein Bisschen Kletter- und Rutscherei über große Blöcke. Natürlich hohe Verletzungsgfahr, aber es gibt genug andere genauso "schwierige" Wegstücke.
Mit dem Abstieg zur nächsten Strassenquerung (ME 4) im Süden des Bundesstaat Maine und einem halben Tag Hitchhiking endet diese Tour. Nur noch ca. 350 km trennen mich vom nördlichen Endpunkt des Appalachian Trails und einer vollständigen Durchwanderung des ca. 3500 km langen Wanderweges. Ob mir zwei Wochen im nächsten Jahr dafür genügen werden? Fortsetzung
Planungstipps:
Anreise/Abreise:
Boston Logan International Airport. (recht günstige Flüge z.B. via Island mit Wowair, via Dublin mit Air Lingus, via Paris mit Air France). Mögliche Ein- bzw. Ausstiegsorte: z.B. Lincoln NH (Franconia Notch), Pinkham Notch, Gorham NH, Monson ME (Busverbindungen mit www.greyhound.com, concordcoachelines.com)
Infos zu Visabestimmungen: http://www.ustraveldocs.com/de/index.html?firstTime=No
Karten/Führer:
Topokarten für die Orientierung auf dem AT sind nicht nötig. Guidebooks/Apps mit fortlaufender Kilometrierung (cumulative mileage). Am besten finde ich die FarOut App, "AWOL" A. T. Guide, oder auch Databook von der Appalachian Trail Conference (ATC).
Markierung/Weg:
Hervorragend markiert durch weiße Farbsstreifen (Whiteblazes) an Baumstämmen. Teils Schilder mit Meilenangaben und Shelterabzweigungen.
Übernachtung:
Zelt/Biwak fast überall erlaubt. Unbedingt Leave No Trace! Nur in den White Mountains Berghütten und kostenpflichtige Campsites des AMC.
Alle ca. 10 - 30 km selbstversorger Schutzhütten (Shelter) mit Quelle, Kompostklo, Tisch/Bank. Einige Hostels (ab ca. 20$) in Trailnähe.
Proviant/Wasser:
Zum Einkaufen muss man meist von der nächsten Straßenquerung in eine nahegelegene Stadt gelangen (meist per Autostop). Längster Abschnitt die 100 mi Wilderness. Wasserversorgung hauptsächlich über Quellen/Bäche (Entkeimung!).
Geld:
Geldautomaten (ATM) oft sogar in kleinen Läden. Bezahlung mit allen Arten von Kreditkarten selbst in kleinen Läden üblich (meine Prepaid Visacard hat immer funktioniert).
Mobilfunk/Internet:
Oft kein Mobilfunknetz im Wald. Auf Bergen und bei Städten meist gute Abdeckung von Verizon. Oft kostenloses WIFI/W-LAN in Städten, Hotels, Shops. Internetzugang in jeder öffentlichen Stadtbibliothek. Amerikanische Prepaid SIM-Karte meist billiger als deutsche Roamingtarife.