Ca. 2 Stunden Flugzeit liegen zwischen dem vereisten Deutschland und frühlingshafter Wärme in Catania am Meer.
Bevor es dunkel wird muss ich irgendwo am Rand von Catania einen sicheren Platz für meinen Schlafsack finden.
Als ich mit viel Mühe meine notwendigen Einkäufe erledigt habe ist der tägliche Touristenbus vom Hauptbahnhof zur Seilbahnstation am Etna Sud leider schon abgefahren. Anstatt auf den Bus am nächsten Morgen zu warten, wage ich die etwas abenteuerliche Fahrt mit einem Stadtbus zum nächsten Ort Nicolosi auf halbem Weg zum Ätna. Von dort per Trampen und Asphaltwandern bis zum Observatorium für Astrophysik nahe dem Startpunkt des "Sentiero Natura bzw. Pista Altomontana".
Erst vor ein paar Jahren kam ein neuer Lavastrom den Berg runter. Schlecht für ein paar Häuser, die Straße und die gesamte Lift- und Seilbahnanlage Etna Sud...
Nachmittags fährt ein übles Gewitter mit Hagel und Schnee über den Berg.
Gut sichtbar gekennzeichneter Startpunkt der Wege / Pisten Sentiero Natura 10 - 12 am Osservatorio Astrofisico (meistens aber eher schlecht markiert wie ich später feststellen muss).
Typische Linsenwolke an einer Bergflanke, ein deutliches Zeichen der Wetterlage mit extrem starkem Höhenwind. Während man unten am Meer in Catania bei Sonnenschein, Windstille und frühlingshaften Temperaturen gemütlich auf der Promenade flaniert, kann ich hier oben auf knapp 2000 m bei Minusgraden im eisig kalten Starkwind kaum geradestehen.
Dafür beginnt eine stabile, trockene Wetterlage. Bei entprechender Ausrüstung ganz hervorragend für eine Trekkingtour um den Ätna.
Um den Ätna herum verteilt gibt es mehrere öffentlich zugängliche Schutzhütten des Italienischen Alpenvereins (hier Refugio Galvarina) mit offenem Kamin und Brunnen.
Entspanntes Wandern auf fast ebener Strecke an der Ätna-Südwestflanke entlang
Leider verschlossene Schäferhütte. Wäre so schön für ne Pause gewesen...
Abseits der Seilbahn- und Touristenstation begegnet mir eher unerwartet keine Menschenseele. Fast stellt sich ein Gefühl von unberührter Natur fernab der Zivilisation ein. Zur Hauptsaison dürfte die Piste bei den Mountainbikern jedoch sehr beliebt sein.
An mehreren Stellen kann man solche Lavahöhlen entdecken. Nicht ganz ungefährlich und etwas unheimlich alleine.
Rechtzeitig taucht das nächste Refugio (Monte Scavo) hinter einer Biegung auf. Ein gemütlicher Abend mit Sonnenbad vor der Hütte und Kaminfeuer erwartet mich.
Am nächsten Tag zum Refugio Santa Maria. Sind zwar nur 15 km, aber kann man hier widerstehen, wenn der kalte Wind heult und die Alternative ein flatterndes Zelt ist...?
Am nächsten Tag verliere ich irgendwo die Wegführung des Sentiero Natura und lande in eher weglosem Gelände. Kaum sichtbare Pfade führen mich zu den relativ neuen Kratern und Lavaströmen (2003) in der Gegend um Monte Nero.
Verlassen der Wege verboten! Das einzige Problem - einen WEG kann ich hier nicht mehr finden. Ohne Karte und Kompass wäre ich verloren gewesen, zumal man auch nicht ewig Zeit hat. Es gibt nirgends Oberflächenwasser zum Trinken!
Plötzlich versperrt mir ein breiter Lavastrom den Weg. Eine Überquerung wäre mühsam und ziemlich gefährlich, nicht nur weil die Brocken ziemlich scharfkantig und locker sind, sondern überall tückische Löcher lauern. Erst nach einer Umgehung finde ich wieder auf einen richtigen Weg zurück
Immer wieder bieten sich großartige Blicke auf den Hauptkrater des Ätna. Die Wolkenschleppe besteht sowohl aus "Wolke" als auch aus Rauch.
Weil mein Proviantbeutel nur noch ein paar Krümel enthält, bin ich nun gezwungen, zur Zivilisation zurückzukehren. Schneller als erhofft bekomme ich auf der Serpentinenstraße an der Ätna-Nordseite eine Mitfahrgelegenheit im Landrover einer maltesischen Touristenfamilie, die ganz besorgt drauf bestehen, dass ich sofort ein paar ihrer Müsliriegel esse (muss wohl ganz schön hungrig ausgesehen haben...).
Vom Touristenzentrum Etna Sud fährt eine Seilbahn in Richtung Ätnagipfel, auch Jeeps und riesige Geländelastwagen transportieren zahlungskräftige Touristen. Man kann aber auch etwas mühsamer die breiten, von Pistenwalzen freigeräumten, Geröllpisten hochwandern.
Da wird's einem wenigstens warm!
Bis auf 2900 m üNN kann man auf der Piste relativ gefahrlos in Richtung des Hauptkraters hochspazieren, dann ist offiziell Weitergehen verboten. Besonders für Nicht-Vulkanologen auch nicht ganz ungefährlich. Der strahlend blaue Himmel täuscht über den extrem starken, eiskalten Wind hinweg, weswegen einige leichtbekleidete Touristen auf der teils vereisten Piste umdrehen müssen.
Zurück im Schutz von Etna Sud. Bis hier/von hier fährt einmal täglich ein Bus nach Catania Bahnhof.
Im Windschatten kann es so schön warm und trocken sein, aber wehe man gerät in den Wind. Mit am Touristenzentrum gefüllter Wasserflasche genieße ich einen wunderschönen Abendspaziergang zur nächsten Schutzhütte abseits der Tagestouristen.
Auf der geplanten Rundtour der Sentiero Natura Nr. 12 u. 14 am nächsten Tag stecke ich unter ca. 1900 m in den Wolken, was die Orientierung nicht gerade erleichtert, aber ein so breiter Weg wird schon irgendwo hinführen. Immer wieder die Frage: Wo genau bin ich eigentlich? Die auf meiner Karte eingezeichneten Wege gibt es irgendwie nicht alle. Vielleicht nehme ich doch beim nächsten Mal ein GPS mit ..???
Beim Blick auf Monte Nuovo kann ich mir fast vorstellen, wie glühende Steine aus dem Krater sprühen - ist auch noch nicht lange her! Manchmal bekomme ich schon ein unbehagliches Gefühl, denn Ausbrüche aus Nebenkratern an den Flanken des Berges sind im Prinzip immer möglich und unberechenbar.
Morgens war ich bei leichtem Regen von hier bergab zu der Tages-Rundtour gestartet. Als ich in der Dämmerung zurückkomme ist die Landschaft weiß.
Nach stürmischer Nacht ein strahlender Morgen! Wie froh war ich doch über den geschützten Schlafplatz im Refugio, das ich wiedermal ganz für mich alleine hatte.
Auf der Suche nach dem Startpunkt des Sentiero Natura Nr. 4, der mich erst an die Abbruchkante und dann ca. 500 Höhenmeter hinunter in das riesige, unbewohnte, von einem einzigen öden Lavafeld bedeckte Tal "Valle del Bove" hinunterführen soll, bleibe ich fast in den Blättern der Esskastanien stecken.
Wahrscheinlich bin ich seit Wochen der erste Wanderer auf dem eindeutig vorhandenen, aber schon lange nicht mehr gewarteten Pfad den steilen Hang hinauf. Ein klarer, frostiger Morgen begrüßt mich.
Im tiefen Lavasand hinterlasse ich vor Anstrengung keuchend meine Spuren am steilen Hang. Wie lange mag hier schon niemand mehr gegangen sein? Das Entdecker-Gefühl wird auch noch durch die Ungewissheiten verstärkt, ob und wo der Pfad überhaupt noch existiert, ob ich mit meinem Proviant- und Wasservorrat auskomme, ob das Wetter stabil bleibt. Nach meinen Informationen gibt's hier nirgends Wasser. Mein Handy bekommt kein Netz.
Dann ein überwältigender Blick vom Grat über das Tal. Links der 3310 m hohe Hauptkrater (Mongibello).
Die Hänge und der Talgrund eine einzige quasi weglose Lavawüste.
Selbst hier, ca. 7 km entfernt, kann ich deutlich den schwefeligen Rauch riechen.
Bei klarer Sicht kann man längs über das Tal hinweg bis ans Meer im Südosten bei Giarre sehen. Rechts die südliche Abbruchkante, die vor hunderten Jahren durch das Absacken des ganzen Gebiets entstanden ist.
Ein Stück weit folge ich dem deutlich sichtbaren Pfad in Richtung Talgrund. Leider muss ich wegen Wasser- und Zeitmangel umkehren - mein Flug zurück nach Deutschland wartet nicht.
Planungstipps:
Anreise/Abreise:
Internationale Flughafen in Catania oder Palermo. Tägliche um ca. 8 Uhr Busverbindung von gegenüber dem Hauptbahnhof Catania Centrale nach Etna Sud. (Infos im Touristenbüro in der Altstadt) Schmalspurbahnlinie Ferrovia Circumetnea (fce) verbindet alle Orte rund um den Ätna. Braucht wegen geringer Geschwindigkeit ca. 3 Stunden für die gut 100 km, dafür nur ca. 6 Euro die ganze Runde und allein wegen des Panoramas zu empfehlen
Karten/Führer:
z.B. Rother Verlag. Leider nur Tagestouren. Topokarten für Wegfindung nötig, aber schwer zu finden. Meine Karte (Mt. ETNA carta naturalistica e turistica von S.E.L.C.A., Firence, Maßstab 1:60 000) war oft nicht ausreichend, Routen existieren teils nur in der Karte
Markierung/Weg:
Recht lückenhafte Markierung. Kaum Wegwartung.
Übernachtung:
Zelt/Biwak. Unbedingt Leave No Trace! Frei zugängliche selbstversorger Schutzhütten des italienischen Alpenvereins und Forstverwaltung mit Kamin und Brunnen. Auch einige bewirtschaftete Berghütten z.B. Refugio Sapienza in Etna Sud, Refugio Citelli bei Etna Nord.
Proviant/Wasser:
Einkaufsmöglichkeit in einigen Orten rund des Ätna, nur muss man erstmal dorthin kommen (Trampen/Hitchhiking). Wegen des porösen Lavagesteins nirgends Oberflächenwasser (nur evtl. Schneefelder). Man ist auf die Brunnen an den Hütten angewiesen (evtl. Entkeimung). Im Valle del Bove kein Wasser.
Geld:
Geldautomaten in Catania, Linguaglossa etc.
Mobilfunk/Internet:
Oft keine Netzabdeckung am Berg.
Links:
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